linse, ich musste beim Lesen Deines Beitrages immer wieder schmunzeln, weil ich mich da sehr oft wiedergefunden habe - und in vielen anderen Beträgen auch.
Ich verschenke auch hauptsächlich Selbstgemachtes und auch bei mir ist da ein gewisser Druck, der allerdings nicht von außen, sondern aus mir selbst heraus kommt. Von früher spielt da manchmal noch der Geldaspekt rein (wenn möglich selber machen statt Geld dafür auszugeben), weil ich früher kaum Geld hatte, aber viel relevanter ist da heute mein eigener Anspruch, etwas Individuelles, Schönes, Nützliches zu schenken. Teilweise Sachen, die es so gar nicht zu kaufen gibt, oder wo ich mir denke "Wenn ich das selbst mache, wird's aber schöner/besser." Auch spielt da mit rein, dass ich mich so viel wie möglich aus diesem typischen
Konsum rausziehen will und inzwischen einen großen Widerstand habe, Dinge zu kaufen. Bei Dingen, bei denen Selbermachen als Alternative vorhanden ist, fällt es mir dann schwer, das nicht zu tun. Wenn ich es selber mache, kann ich alles gestalten, wie ich es haben mag - da spielen dann Ästhetik und Qualität eine Rolle, aber auch Materialien (oft Upcycling/Verwertung von Sachen, die ich da habe), Müllvermeidung, ich kenne die Arbeitsbedingungen, unter denen es hergestellt wurde, etc. ...
Der Druck von außen kommt bei mir inzwischen quasi gar nicht mehr, weil ich da alle Aspekte nach und nach aus meinem Leben "verbannt" habe. Die typischen "Oh, Du kannst das selber machen? Dann kannst Du doch für mich mal...!" kenne ich auch nur zu gut, aber Menschen mit dieser Haltung habe ich systematisch aus meinem Freundeskreis aussortiert oder aufgeklärt. (Gerade beim Nähen ist auch oft total hilfreich gewesen zu sagen: "Ach, noch besser: Du machst das einfach selbst und ich helfe Dir, wenn Du nicht weiterweißt. Das ist nämlich gar nicht so schwer." - Ich meine das Hilfsangebot sogar vollkommen Ernst, aber selten ist da mal jemand drauf eingegangen. Meine Ruhe hatte ich mit dem Thema dann aber immerhin.)
Und auch das Thema "sich was schenken müssen" habe ich inzwischen nicht mehr. Generell ist das für mich ein Widerspruch in sich, denn ein Geschenk gebe ich freiwillig, bedingungslos und aus vollem Herzen, nicht aus Pflicht und als Gegenleistung für ein anderes "Geschenk". So schenke ich nur, wenn ich es selber möchte. "Geschenkpflichtige" Events wie Geburtstage oder Weihnachten sind inzwischen alle verworfen oder abgewandelt worden, Menschen, die Geschenke erwarten, habe ich nicht mehr in meinem Freundeskreis (inkl. Familie) - und wenn doch mal jemand da etwas erwartet, kann ich das gut bei der anderen Person lassen.
Wenn also von mir wer etwas geschenkt bekommt, dann gezielt um der Person eine Freude zu machen - und da habe ich dann auch gleich im Blick, wer Selbstgemachtes wirklich wertschätzt. Vor ein paar Wochen beispielweise habe ich im Freundeskreis eine Wichtelrunde organisiert, weil ich da mal wieder total Lust drauf hatte. Ich habe eine gute Freundin bewichtelt und in ihr Geschenk über zwei Wochen lang fast täglich Zeit investiert, insgesamt viele Stunden - das hätte ich auch nicht für jede*n in der Runde getan, aber bei ihr war ich mir sicher, dass sie das wertschätzt, und da habe ich es dann auch nicht bereut, da so viel Zeit reingesteckt zu haben.
Adala hat geschrieben:Wenn etwas Gekauftes meinen Geschmack nicht ganz trifft oder nach einiger Zeit nicht mehr gebraucht wird, kann ich es weitergeben. Bei Selbstgemachtem, bei dem ich weiß wieviel Aufwand drin steckt, bringe ich das nicht über mich und habe deswegen dauerhaft etwas rumzuliegen, was mir ein schlechtes Gewissen macht.
Das kann ich gut nachvollziehen, und gleichzeitig finde ich es total wichtig, da zu unterscheiden zwischen Wertschätzung und... mir fehlt das passende Wort... Persönlichem Nutzen?
Beispiel: Ich habe vor vielen Jahren meiner ersten Nichte mal ganz stolz ein kuscheliges Winterkleidchen genäht. Das ist echt schön geworden, meine Schwester hat sich auch mega darüber gefreut - die Wertschätzung war auf jeden Fall da! Ich glaube, meine Nichte hatte dieses Kleidchen einmal an, und auch ihre jüngere Schwester später hat das nie getragen... Es hat einfach bei denen nicht zum Alltag und Lebensstil gepasst - schade, aber ich verstehe es vollkommen und bin gar nicht böse. Ich muss meine Schwester mal fragen, was sie letztendlich damit gemacht hat, aber ich würde mich total freuen, wenn ich erführe, dass sie das an jemanden weiterverschenkt hat, wo es wirklich genutzt wird, statt aus sentimentalen Gründen im Schrank zu verschimmeln.
Egal, wie viele Gedanken ich mir bei einem Geschenk mache, ob es die Beschenkten wirklich mögen und gebrauchen können, kann ich nie garantieren - da ist es für mich ganz selbstverständlich, dass Geschenke auch weitergegeben werden dürfen. Auf dem Müll landen sollte es natürlich nicht, aber wenn es weitergegeben und da dann tatsächlich genutzt wird, ist das für mich definitiv doppelte Wertschätzung.
Zum Geldaspekt fand ich es ganz interessant, dass da einige Leute in meinem Umfeld mal die Rechnung aufgestellt haben: "Da gehe ich lieber zwei Stunden mehr arbeiten und gebe das Geld dafür aus, als es selbst zu machen." Den Gedanken, da als wichtigste Ressource die eigene Zeit zu nehmen, finde da total gut, und gleichzeitig hängt das ja von verschiedenen Faktoren ab. Wenn ich als Selbstständige massenhaft potentielle Aufträge habe und bei zwei Stunden Arbeit 140€ netto rausbekomme, die ich nicht verdienen würde, wenn ich stattdessen die Zeit mit Werkeln verbringe, ist das was anderes, als wenn ich 10€ oder weniger pro Stunde bekomme, oder auch wenn die Alternative zum Werkeln nicht arbeiten ist, weil keine Aufträge/Arbeit optional bereitstehen...
Bevor ich jetzt zu sehr vom Thema abkomme... Weshalb ich das anbringe: bei der Entscheidung, mache ich das jetzt selbst oder nicht, finde ich es total wichtig im Blick zu haben, dass ich dafür meine Lebenszeit investiere und dass das eine wertvolle Ressource ist.
Ist es mir das in diesem individuellen Fall Wert oder nicht?
Meine Güte, zu dem Thema könnte ich echt noch viel (mehr) schreiben, aber ich belasse es mal dabei - ist ja schon mehr als genug.
Ganz liebe Grüße,
Levanna